Sprungbrett Burgwall-Schmiede

U15-Spieler Marsel und Patrik Zrnic
Die Wege von Marsel Zrnic (links) und seinem Zwillingsbruder Patrik werden sich wohl bald trennen. Derzeit spielen sie gemeinsam in der U15-Regionalligamannschaft unseres BSV. (Bild: Jens Pillnick)
Unzertrennlich ist bald vorbei: Marsel und Patrik Zrnic haben sich beim BSV ins Rampenlicht gespielt und stehen vor dem nächsten Karriereschritt

(Quelle: Weser-Kurier / von Jens Pillnick)

Sprungbrett Blumenthaler SV. Marsel und Patrik Zrnic vom Nordbremer Fußball-Regionalligisten stehen vor dem nächsten Karriereschritt. Einem großen. Der Hamburger SV und der FC St. Pauli signalisieren Interesse an einer Verpflichtung. Die eineiigen Zwillinge sind Säulen der BSV-C-Junioren und haben maßgeblichen Anteil am Fußball-Märchen vom Burgwall. Sie belegen mit der von BSV-Vereinsoberhaupt Peter Moussalli trainierten Truppe als Aufsteiger einen sensationellen vierten Tabellenplatz in Deutschlands höchster Spielklasse.

Nicht nur der BSV, sondern auch jeder Einzelne, hat sich mit dem bisherigen Abschneiden in den Fokus gespielt. Marsel Zrnic, am 7. September 2005 in Zenica (Bosnien) geboren, und sein drei Minuten später zur Welt gekommener Bruder Patrik ganz besonders. Beide wurden vom HSV und FC St. Pauli zum Probetraining eingeladen, Marsel vom HSV sogar ein zweites Mal. Die Botschaft, die Marsel vom HSV mitbrachte: „Die wollen mich.“ Noch sei zwar kein Vertrag unterschrieben, doch vieles deutet darauf hin, dass Marsel Zrnic ins Nachwuchsleistungszentrum des HSV wechselt. Patrik steht indes noch in Kontakt zum FC St. Pauli, ein Verbleiben beim BSV, der bei den B-Junioren in der Verbandsliga spielt, ist auch bei ihm eher unwahrscheinlich. „Eher nicht, ich will auf dem Niveau bleiben“, erklärt er.

HSV und FC St. Pauli – davon hatten die beiden im Sommer vergangenen Jahres höchstens zu träumen gewagt. Da spielten sie zwar auch bei einem namhaften Verein, aber eben nur in der vierten Mannschaft von Werder Bremen. Sie nahmen zwar immer wieder an Trainingseinheiten des Talentteams und der Leistungsmannschaften teil, doch voran ging es nicht. Erst als sie ihren Abschied verkündeten, hätte man sie zum Bleiben bewegen wollen und ihnen gesagt, dass man Großes mit ihnen vorhätte.

Zu spät. Das Sichtungstraining beim Regionalliga-Aufsteiger Blumenthaler SV hatte ihnen gefallen. Und Peter Moussalli hatte Gefallen an den Fußballkünsten der Zwillinge gefunden. Die Zusammenarbeit startete. Fortan ging es viermal wöchentlich aus Osterholz-Tenever nach Blumenthal, die Eltern Sanela und Danijel sowie später auch die große Schwester leisteten die Fahrdienste. Wege, die sich lohnten. Denn sie brachten beide ihrem großen Ziel einen Schritt näher: Marsel und Patrik hoffen darauf, später einmal mit dem Fußball Geld verdienen zu können.

Vater Danijel ist mit den Abläufen im Geschäft vertraut. Er war Fußball-Profi in Bosnien und stand vor einem Wechsel nach Deutschland. Marsel Zrnic erzählt, dass sein Vater ein Probetraining bei Waldhof Mannheim absolviert hätte, sich die Karriere aber wegen mehrerer Verletzungen zerschlug. Sein Know-how setzt er jetzt quasi als väterlicher Berater ein, beäugt jedes Spiel seiner Söhne genau und spricht es mit ihnen durch.

Und nun ist es auch Vater Danijel, der befürwortet, dass Marsel und Patrik, die bis jetzt immer in einem Team spielten, reif genug für den nächsten Karriereschritt sind. Wenn sie Angebote erhalten und sie annehmen wollen, dann dürfen sie ihre Familie verlassen und in ein Nachwuchsleistungszentrum wechseln. „Unser Vater wollte bisher, dass wir zusammen sind. Aber er wusste auch, dass die Zeit kommt, in der jeder seinen eigenen Weg gehen muss“, sagt Marsel Zrnic.

Der gemeinsame Weg bis hierhin hatte die Familie Zrnic 2014 aus Zenica nach Bremen geführt. „Mein Vater liebt seine Heimat. Aber er wollte, dass es uns Kindern besser geht“, erklärt Marsel, warum die Familie einen Neuanfang startete. Im Gegensatz zum Fußball wurden die Zwillinge von den Lehrkräften in der Schule getrennt, um schneller deutsch zu lernen. In ihrer Heimat hatten sie ihre sportlichen Aktivitäten bereits im Alter von vier Jahren begonnen, später spielten sie in der Jugend des zweimaligen Bosnischen Meisters NK Celik Zenica.

Patrik und Marsel, die nur auf den zweiten Blick voneinander zu unterscheiden sind, haben fußballerisch bis hierhin alles gemeinsam gemacht. Doch sie sind in ihrer Beschreibung als Fußballer schon sehr verschieden. Marsel ist Links-, Patrik Rechtsfuß. Patrik hat beim BSV quasi die Rolle der Allzweckwaffe übernommen und schon alles außer der Sechs, Linksverteidiger und Torwart gespielt. Mittlerweile fühlt sich der gelernte Stürmer als Rechtsverteidiger am wohlsten. Marcel war anfangs auch Torjäger, doch dann verlagerte sich sein Arbeitsbereich immer weiter nach hinten. Peter Moussalli machte ihn schließlich zum Innenverteidiger. Und genau auf dieser Position weckte der ebenso wie sein Bruder 179 Zentimeter lange Teenager die Begehrlichkeiten der Konkurrenz.

Dass Werder das Potenzial nicht oder zu spät gesehen hätte, mache ihn nicht traurig, „anscheinend waren wir nicht gut genug für sie“. Umso mehr gilt sein Dank BSV-Trainer Peter Moussalli. „Er hat uns unterstützt, kritisiert und uns ganz viel geholfen. Wir haben unter ihm große Fortschritte gemacht“, sagt Marsel Zrnic, der darauf hofft, dass die Corona-Krise nicht das Saisonende bedeutet und auf weitere Einsätze für den Blumenthaler SV brennt. Um für Spiel eins nach der Aussetzung des Spielbetriebs vorbereitet zu sein, ginge er derzeit laufen und mache Liegestützen und Sit-ups.

Patrik Zrnic, der sich im Gegensatz zu seinem ruhigeren, zurückhaltenderen und etwas ernsthafteren Bruder als eher spaßig beschreibt, setzt ebenfalls darauf, in dieser Saison noch viel zu erleben. „Wir wollen den Hamburger SV und Hannover 96 noch wegschlagen“, klingt großes Selbstvertrauen durch. Kein Wunder. Mit dem 3:3 gegen den FC St. Pauli und dem 2:1-Erfolg beim VfL Wolfsburg hatte der von Marsel Zrnic als „Bombenmannschaft“ betitelte BSV unlängst noch unter Beweis gestellt, was er leisten kann. Auch er habe eine Menge gelernt und mit Peter Mossalli einen Trainer, der sich auskenne im Fußball. Die vergangenen Monate beim BSV bezeichnet Patrik Zrnic als „meine schönste Zeit“, nun hofft er darauf, dass es weiter voran geht. Das Ziel in der Schule ist fixiert, es heißt Abi. Der Plan B, falls es mit dem Sprung in den bezahlten Fußball nicht klappt, unterstreicht dann die spaßige Seite von Marsel Zrnic: „Dann werde ich am besten Lotto-Millionär.“

Der Weg von den C-Junioren bis in den bezahlten Fußball ist lang. Klar, dass sich Trainer Peter Moussalli mit Prognosen zurückhält. Aber „eine gute Chance“ hätten Marsel und Patrik diesbezüglich schon: „Sie haben die richtige Einstellung, Leidenschaft und Disziplin. Und sie ordnen dem Fußball alles unter. Es sind Vorzeige-Jungs, die nie meckern.“ Marsel sei einen Tick robuster, hätte unheimlich viel Power und sei mit Abstand der laufstärkste Spieler im Kader. Patrik wird von Peter Moussalli als technisch einen Tick besser, beweglicher und agiler beschrieben. In der Gesamtbetrachtung liegen die beiden für den BSV-Trainer „ganz eng beieinander“, nur Nuancen würden sie trennen. Marsel sei als Innenverteidiger mit linkem Fuß und starkem Aufbauspiel sehr gefragt.

Dafür, dass der Blumenthaler SV ein Sprungbrett in den Profifußball sein kann, gibt es Beispiele. Sören Seidel, heute Geschäftsführer der Spieleragentur Teamplayer Sportmanagement und Trainer des JFV Bremen in der B-Junioren-Regionalliga Nord, wechselte einst von der ersten Herren zu Werder und bestritt elf Bundesliga-Spiele. Ousman Manneh, der einen langfristigen Vertrag bei Werder erhielt, und Lukas Höler, der mittlerweile etablierter Bundesliga-Profi beim SC Freiburg, spielten für den Blumenthaler SV in der A-Junioren-Regionalliga.

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